
9. September 2007
Liebe Leserinnen und Leser,
Heute ist ein besonderer Tag, nämlich der Tag nach dem Transalpine Run.
Kurt und ich haben auf der letzten Etappe von gestern unsere Läuferqualitäten ausgespielt und sind die letzte Etappe zügig ins Martelltal gedonnert. Der 6. Tagesrang und der 8. Gesamtrang in einem stark besetzten Feld sind der Lohn. Dies übertrifft all unsere Erwartungen und Vorstellungen. Eigentlich wäre ein Auslaufen angebracht gewesen, aber wir waren im Zielgelände andersweitig mit Feiern beschäftigt... war gut so, denn ich sollte den Cooldown noch intensivst erleben. Am Abend, nach dem wir uns dem Buffet intensivst und genussvoll gewidmet hatten, gab es zuerst die Finisher T-Shirts, die fast schon in einer Zelebration übergeben wurden., gab es zuerst die Finisher T-Shirts, die fast schon in einer Zelebration übergeben wurden. Danach wurden, wie jeden Abend, die Bilder des Tages und der Video des Tages gezeigt. Anschliessend folgte ein Video-Zusammenschnitt des ganzen Rennens und dies war ein besonderer Moment: Es überwältigte mich noch einmal, wo wir überall gelaufen waren und was wir alles durchgemacht haben: Von zu überquerenden Bergbächen, durch knöcheltiefen Schlamm, über Bergsteige, durch eisige Winde und Schneegestöber, über Schneefelder und Passübergänge, durch Hochebenen und Alpwiesen, durch Lärchenwälder und stäubende Bergwege... alles war irgendwie dabei gewesen: Wetter und Gelände hätten nicht abwechslungsreicher sein können. Dies macht einen kompletten Bergläufer irgendwie auch aus: Sich anpassen können, flexibel reagieren können und sich Neuem postitiv und motiviert entgegenstellen. Die Eindrücke während der Woche waren einzigartig und etwas vom Intensivsten, was ich je erlebt habe. Kurt muss es ähnlich ergangen sein, denn in seinem Gesicht steht ein verklärtes Lächeln. Ich denke, dass ich einige Zeit brauchen werde, um das Gesehene, Erlebte und Durchgemachte wirklich realisieren zu können.
Tanzen, tanzen, tanzen
Nach dieser Zeremonie konnte ich mir selbst ein Versprechen einlösen: Tanzen. Wir gaben nochmals alles und zappelten bis um 1.15 Uhr nachts durch. So als hätten wir eigentlich an den letzten 8 Tagen nichts gemacht... Unheimlich, was der Körper im Flow der Glücksgefühle noch alles zu Stande bringt. Nach dem Feiern und 4 Stunden "aktivem Auslaufen einmal anders..." (ok, die Feinkoordination wies schon gewisse Mängel auf, aber man hatte ja eine gute Ausrede wegen den Beinen und so) fiel ich dann doch irgendwann todmüde in unseren Bus. Zuvor verabschiedete ich mich vom hart verbliebenden Kern der Transalpine Runners. Es war schwer, Adieu zu sagen, denn die Menschen - und besonders einige davon - sind mir während diesen Tagen ziemlich ans Herz gewachsen. Dies ist es auch, was den Transalpine ausmacht: Die Kameradschaft und entstehende Freundschaften. Es war ein Luxusschlafen mit den Polstern unseres Busses und der Isomatte. Diese hatte nämlich schon die ganze Woche lang ein Loch und so erwachte ich am Morgen meist auf dem Boden....
Müde Beine, aber nicht vom Laufen...
Am Morgen erwachte ich gemäss Renngewohnheit um 5.30h. Dies war schon etwas wenig Schlaf. Trotzdem war ich erstaunlich wach und machte mich zum Frühstück in der Eishalle von Latsch auf. Eine Restgruppe von Läufern ist noch beim Frühstück (die anderen waren entweder in Hotels oder mussten schon auf einen Transferbus). Ich setze mich zu zwei mir noch unbekannten Läufern, die sich als Finnen herausstellen. Wir philosophieren noch übers Laufen und die letzten Tage. Der eine davon läuft noch ziemlich eckig und meint, er müsse für den nächsten Transalpine Run doch noch etwas mehr in den Bergen trainieren. Ich schlage ihm ein Trail Running Camp in der Laufschule Scuol vor... Meine Beine fühlen sich heute auch etwas schwer an, aber dies ist eher dem Tanzen und nicht dem Laufen zuzuschreiben. Kurt ist mit seiner Partnerin im Hotel und wird dort noch bis Montag verweilen und ausspannen. Recht hat er. Lukas und ich nehmen zwei Venezuelaner mit, die nach Poschiavo wollen. Zu einem Berglauf in einer Woche... Die Heimreise mit ihnen wird ziemlich unterhaltsam mit ihnen und dies sind noch einmal letzte schöne Momente des Transalpine Runs. Denn heute fehlt irgendetwas.... Keine Tasche packen, kein Getränk auffüllen, keine Schuhe schnüren, kein "habe ich denn alles dabei?", kein Anstehen am WC, kein ACDC, kein Startschuss, kein Run...
Der menschliche Körper ist ein kleines Wunder
Wie gesagt, war das Training, die Lauftechnik und Kurt's und meine Renneinteilung massgebend für den Erfolg des Team Engadin Scuol. Wir haben unseren Körper auf diese Belastung vorbereitet, aber ob man dem trotzdem gewachsen ist, weiss man zuvor nicht. Der Körper erweist sich als kleines Wunder in dieser Woche, denn er ist fähig, sich bestmöglichst zu regenerieren und gewöhnt sich an die Belastung. Es erstaunt mich, dass mein Ruhepuls mit 54 Schlägen/min. fast normal ist (anstatt deren 48 - dieser Messwert ist massgebend für die Belastungskontrolle bzw. für die Erholungsfähigkeit). Nun verlangt der Körper schon fast nach der Anstrengung - aber der Liegestuhl am Nachmittag in der Sonne war auch in Ordnung. Meine Füsse sind noch optimal in Form und sind zwei Stunden aus den Laufschuhe fast schon wie Babyhaut. Einzig ein Muskelansatz am Schienbein ist von Bergablaufen zu spüren. Aber wie gesagt Lapalien... Wenn es heute hätte sein müssen, wäre eine Fortsetzung des Rennens gut möglich gewesen. Der Kopf war aber auf gestern eingestellt und somit ist der Zeitplan "just right". Ich bin mir nun aber sicher, dass ich auch Grösserem gewachsen bin - aber keine Angst (ich spreche meine Mutter, meinen Vater und enge Freunde an). Für den Moment reicht es gerade...
Ruhe finden
Es ist mir aber klar, dass mein Körper sich nun erholen muss. Monatelang habe ich Höchstleistung von ihm gefordert (wegen Geschäft und Training) mit ehrlich gesagt zu wenig Schlaf und Regenerationszeit (mein Körper hat sich übergehend darauf eingestellt - vielleicht ist mir das beim Rennen dann zu Gute gekommen..). Aber nun hat er Ruhe verdient. Das heisst nicht, überhaupt nichts mehr machen - könnte ich auch nicht. Aber alles ein wenig gemässigter und ruhiger. Es wird einige Tage dauern, bis ich wieder "runterfahren" kann und eine vollständige Erholung wird auch einige Wochen beanspruchen. Heute habe ich wirklich einmal nichts gemacht und morgen werde ich mit Asco, der zu meiner irrsinns Freude schon von der Alp heruntergekommen, vielleicht ein wenig locker durch die Waldweglein um Scuol mit dem MTB kurven. Ruhe ist das Gefühl, welches ich heute empfinde. Vielleicht ist es eine etwas anstrengende Methode, 8 Tage lang kreuz und quer über die Berge zu rennen, um Ruhe zu finden. Aber wahrscheinlich ist es mein Weg.
Plan B und der Transalpine Run: Organisation in Perfektion
Ist vielleicht jemand durch meine Berichte auf den Geschmack gekommen und überlegt sich eine Teilnahme an einem nächsten Gore-Tex Transalpine Run? Bei angepasstem Training und physisch entsprechenden gesunden Zustand, kann ich dies nun aus meiner eigenen Erfahrung nur empfehlen. Das Rennen ist bis zum letzten Detail perfekt durchorganisiert und lässt keine Wünsche offen. Ich darf sagen, dass ich schon viele Wettkämpfe gesehen und miterlebt habe, aber dies, was die Organisationsfirma Plan B bietet, schlägt alles bei Weitem. Ob Gepäcktransport, Essen, Streckenplanung und -durchführung, Start und Ziel, medizinische Betreuung und Bergrettung, u.v.m. bis zum Gutenachtsagen durch Jörg - da fehlte einfach nichts. Ein geniales Erlebnis mit genialer, professioneller und persönlicher Betreuung. Be there.
Fazit der Woche
Es macht sich fast schon eine leise Traurigkeit breit, wenn ich dieses letzte Fazit schreibe.
Die Woche war besonders. Einzigartig. Bergauf. Bergrunter. Verschwitzt. Verschlammt. Verschneit. Intensiv. Erlebt. Gelebt. Trail & Alpine Running pur.
Ehrlich gesagt war das "Miterleben lassen" von Euch MitlesernInnen und das von mir aus verpflichtende Gefühl gegenüber Sponsoren und Medien ein nicht einfach umzugehender Druck. Kurt und ich haben es aber geschafft, mit der ungeheurer Freude am Laufen und mit Humor (wahrscheinlich ist es schwierig sich vorzustellen, den Berg hochzurennen und einen Lachanfall zu bekommen) das Ziel zu erreichen. Danke nochmals an alle Sponsoren (insbesondere der Bank Raiffeisen für ihre grosszügige Unterstützung) und natürlich an Gianna Rauch.
In den letzten Tagen habe ich das Gefühl, über mich selbst herausgewachsen zu sein. Es ist eindrücklich, was wir leistem können, wenn wir wollen. Und sicherlich noch eines: Das Quäntchen Glück, das es einfach im Leben braucht, war uns diese Woche sicherlich hold.
Kurt und ich sind das Rennen mit Herz, Kopf und Verstand gelaufen. Und manchmal sind wir einfach nur gelaufen. Da draussen. Ich spreche für mich (aber ich denke Kurt geht es genauso) und finde, dass ich in den letzten 8 Tagen einen Schritt weitergekommen bin. Diesmal nicht horizontal oder vertikal.
Das letzte Mal verabschiede ich mich von Euch herzlichst vom Transalpine Run-Tagebuch und schicke Euch liebe Grüsse .
Happy trails,
Fränzi
Nun noch die versprochenen "Best of Gore-Tex-Transalpine Run 2007"
Ohne Kommentar, aber wahrlich aufgeschnappt und miterlebt:
- Frauenvorteil: „Brünzeln“ und Schuhe binden in einem – Multitasking und endlich einmal ein Frauenvorteil in diesem Belang.
- Beobachtet bei einem Konkurrenten-Team: Beide sind im Gehschritt und wir kommen von hinten und setzen zum Überholen an. Der andere Laufpartner gibt dann seiner Laufpartnerin einen freundlichen, aber bestimmten Klaps auf den Allerwärtesten und sie beginnt beschwerlich wieder zu rennen. Unglaublich, aber wahr – mir bleibt der Kiefer unten hängen…
- Essen im Laufen: Von Nüssen, Bananen und Rohschinken-Käse-Sandwiches – ich bin ein echter „Fastfooder“ geworden… aber wirklich nur auf die Schnelligkeit bezogen.
- Natürliches Auswahlverfahren: Es gibt sie halt immer, die Zwangsnörgeler, Zweckpessimisten und die mit dem etwas grösseren Maul. Die umgeht man elegant und hält sich an die lieben, grossherzigen und netten Menschen, die am Transalpine Run überwiegen. Natural Selection.
- Den Läufpulk des Transalpine Run erkennt und hört man auf den ersten Laufkilometern jeder Etappe deutlich: das letzte Verdauen des Morgenessen schreitet fort und die restlichen Luftmengen in den verschiedensten Organausgängen des menschlichen Körpers werden befreit - eine Kuhherde ist nichts dagegen… no comment.
- Wer ist Egozentriker im Höchstmass und wer hat Sozialkompetenz und Empathie – beim Anstehen zum Essen wie in den sanitären Anlagen im Camp oder beim aufmunternden Wort unterwegs: deutlich wird, wer wo seine Qualitäten hat – oder eben nicht…
- Tape bis ohne Ende: Am letzten Tag ist wahrscheinlich mehr Tape im Läuferpulk unterwegs, als eine Grossphysiotherapie in einem Jahr braucht.
- Der Rettungssanitäter erzählt, dass er schon beim Mountainbike-Transalp dabei gewesen sei und dass dort die Biker das am Gesäss hätten, was die Läufer beim Transalpine Run an den Füssen haben - obwohl ich da keine Probleme habe, würde ich doch da die Füsse eher vorziehen.
- Mir selbst passiert: Da springe ich verletzungsfrei über Stock und Stein - und beisse mir fast einen Zahn bei einem Stück Kern eines Aprikosenstengels aus...
- ACDC sollten die Inszenierung ihres Songs am Start des Transalpine Run in Oberstdorf miterleben. Wir würden ihnen die Show stehlen.
Sponsoren: Raiffeisen Engiadina, Scuol / Engadin Scuol Touristik AG / Outdoor Engadin, Laufschule Scuol / Salomon Sportbekleidung / Energia Engiadina Scuol / Meier-BECK Sta. Maria V.M. / Stickerei Sarsura Zernez /
www.outdoor-engadin.ch
2 Kommentare:
Heja liebe Fränzi
Gratuliere von ganzem Herzen. - Wäre schön dich mal in der Engiadina Bassa zu treffen. Wer weiss.
Chars salüds von
Ernesto Bromeis
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